53-3-Ortsnotstempel zur Zeit des Alliierten Kontrollrates - Hude, Grünenbaum, Bödefeld und Vehrte

 Ortsnotstempel zur Zeit des Alliierten Kontrollrates am Beispiel von Hude, Grünenbaum, Bödefeld und Vehrte

 

Notstempel, auch des Öfteren als Hilfs- oder Aushilfsstempel bezeichnet, wurden, aufgrund des Fehlens von Normstempeln als üblichem Tagesstempel, provisorisch verwendet.

Wie im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Philatelie üblich, verwende auch ich den Begriff Stempel synonym zu Stempelgerät bzw. Poststempel.

Die Gründe für die Notwendigkeit einer Verwendung von Ortsnotstempeln sind vielzählig, in der Zeit des Alliierten Kontrollrates insbesondere

  • Verlust von Tagesstempeln durch Kriegseinwirkungen, z. B. durch Diebstahl oder Plünderung
  • Abgabe zwecks Aptierung (z. B. Entfernung von NS-Symbolen) an externe Stellen
  • Änderung einer Poststelle II/Landpoststelle in eine Poststelle I

 

Vielfach werden die im Landpostbereich verwendeten Landpoststempel irrtümlich als Ortsnotstempel bezeichnet, gelegentlich aber auch Notstempel als Landpoststempel.

Landpoststellen waren Poststellen, die einem Leitpostamt unterstellt und nur zu eingeschränkten Dienstleistungen befugt waren.

Außer im Ortszustellbereich durfte die Frankatur nicht entwertet werden. 

Ihr Poststellenstempel, auch als Landpoststempel bezeichnet, wurde neben der Frankatur abgeschlagen und enthielt, ergänzt durch das Wort „über“, die Bezeichnung des zugeordneten Leitpostamtes.


Im Laufe der Zeit wurden die Bezeichnungen Landpoststelle in Poststelle II und Leitpostämter in Poststelle I geändert.


Abb. 1, 2: Vorderseite einer Ganzsache P 962 vom letzten Tag der Gültigkeit zum RM-Tarif mit violettem Landpoststempel „(24 a) Lüdersburg über Lüneburg“ neben der Frankatur und Tagesstempel des Leitpostamtes „Lüneburg 1 p 20.6.48. - 13“ auf dem eingedruckten Postwertzeichen


Es gibt Landpoststempel, die auch als Ortsnotstempel Verwendung fanden, insbesondere bei Statusänderung von einer Landpoststelle/Poststelle II in eine Poststelle I.

Einen derartigen Beleg kann ich allerdings nicht vorstellen.

Letztendlich zwang die postalische Notwendigkeit den Ort und die Zeit einer Einlieferung zu dokumentieren alle Postämter, Zweigpostämter und Poststellen I ohne Tagesstempel zu einer Entwertung der Frankatur mit Notstempel.

Die Zeit der Einlieferung wurde mit separatem Stempel, handschriftlich, oder derart natürlich unzulässig, nicht dokumentiert.

„Grundvoraussetzung für die Anerkennung als Ortsnotstempel ist die Feststellung des Status der betreffenden Postanstalt zum Zeitpunkt der Aufgabe der Sendung. Diese Klärung ist wichtig, weil nur Postämter, deren Zweigpostämter und Poststelle I mit Tagesstempel ausgestattet waren, also gegebenenfalls Aushilfsstempel für fehlende Tagesstempel benutzen konnten. Poststelle II, die sogenannten Landpoststellen, besaßen – von Ausnahmen abgesehen – keinen Tagesstempel.“[1]

Nachfolgend stelle ich beispielhaft mit Ortsnotstempeln entwertete Belege von Bödefeld, Grünenbaum, Hude und Vehrte vor.

Die von mir hierbei ergänzend zum Text der Abbildungen detaillierten Angaben zu den Stempeln wurden dem Handbuch und Katalog „Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953“[2] entnommen.

 

Hude - Status: Postamt

 

Hude ist eine Gemeinde zwischen Oldenburg und Bremen und lag somit in der britischen Zone.

Das Postamt befand sich in einem Seitenflügel des Bahnhofsgebäudes von Hude.

Im Handbuch und Katalog „Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953“ sind für den Zeitraum Juli 1945 – Juni 1948 insgesamt 6 unterschiedliche Ortsnotstempelabschläge nachgewiesen.


Abb. 3, 4: Briefvorderseite (Briefstück) – Ortsnotstempel in violetter Farbe - Typ e nach Arenz/Kahl/Richter "(23) Hude" mit Stempelbreite von 33 mm und Skelettstempel (Durchmesser 27 mm) mit Datum "24.4.48. 3 - 4 N" - Verwendungszeit belegt 5/46 bis 5/48 - Anzahl der gemeldeten Belege = 13 bis 25 - 24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g - gelaufen nach (20) Bodenengern bei Rehren



Abb. 5 -7: Briefvorder- und Rückseite (Ausschnitt) – Ortsnotstempel in violetter Farbe - Typ e nach Arenz/Kahl/Richter "(23) Hude" mit Stempelbreite von 33 mm und Skelettstempel (Durchmesser 27 mm) mit Datum "15.12.47. 2 - 4 N" - Verwendungszeit belegt 5/46 bis 5/48 - Anzahl der gemeldeten Belege = 13 bis 25 - 24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g 


Grünenbaum - Status: Poststelle I

Grünenbaum ist eine kleine Ortschaft im südwestlichen Westfalen in Ortslage von Kierspe.

Die Poststelle befand sich in einem Nebenraum des Gebäudes Bahnhof/Gastwirtschaft Grünenbaum (Inhaber Reininghaus).

Im Handbuch und Katalog „Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953“ sind für den Zeitraum Dezember 1945 – September 1948 insgesamt 5 verschiedene Ortsnotstempelabschläge nachgewiesen.

Die im Handbuch gelisteten Stempel geben keinen Hinweis auf den Zeitpunkt der Stempelung des jeweiligen Beleges.

Eine Rückfrage bei der „Arge Deutsche Notmaßnahmen ab 1945 e.V.“ ergab, dass es in Grünenbaum gängige Praxis war, ohne Datum zu stempeln.

Die Feststellung des Status der betreffenden Postanstalt zum Zeitpunkt des Stempelabschlages musste somit anderweitig, z.B. durch Datumsangabe im Text des Beleges, festgestellt werden. 


Abb. 8 - 10 : Briefvorder- und Rückseite ( Ausschnitt) – Ortsnotstempel in violetter Farbe - Typ e nach Arenz/Kahl/Richter "(Grünenbaum Westf. )" mit Stempelbreite von 52 mm ohne Datum – Verwendungszeit belegt 5/48 bis 9/48 - Anzahl der gemeldeten Belege = 7 bis 12 -16 Pfennig Geschäftspapier bis 20 g - gelaufen nach (24) Hamburg 11


Beim nachfolgend vorgestellten Brief, ebenfalls aufgegeben in Grünenbaum, dürfte es sich sicherlich auch um einen Bedarfsbrief handeln.

Absender ist das Mädchenheim „Erlenhof“. Die Einrichtung betreute weibliche Jugendliche, die nach damaligen Verhaltenskriterien als schwer erziehbar angesehen wurden.

Heute befindet sich dort die Freie Schule Kierspe.



Abb. 11,12: Briefvorderseite – Ortsnotstempel in violetter Farbe - Typ d nach Arenz/Kahl/Richter "(21 b) Grünenbaum i. W." mit Stempelbreite von 52 mm ohne Datum – Verwendungszeit belegt 4/48 bis 7/48 - Anzahl der gemeldeten Belege = 4 + Sammlerpost -24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g 


Bödefeld – Status: Zweigpostamt des Amtes Bestwig (Sauerland)

Bödefeld ist ein nordöstlicher Stadtteil von Schmallenberg im Hochsauerland in Nähe der Gemeinde Bestwig und war ab dem 1. April 1945 Teil des von alliierten Truppen eingeschlossenen Ruhrkessels. 

„Seit der kommunalen Neugliederung, genauer seit dem 1.Juli 1975, wird Bödefeld postalisch vom Postamt Schmallenberg versorgt. Bis dahin war die Postanstalt dem Postamt Bestwig unterstellt, wo im 2. Weltkrieg leider alle zurückliegenden Unterlagen vollständig verbrannt sind.“[3]

Postgeschichtlich nachgewiesen ist, dass es postalische Einrichtungen in Bödefeld schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab.

„Im Jahre 1863 wurde die Postexpedition Clemens Gierse übertragen, in dessen Familie die Verwaltung der Bödefelder Post fast 100 Jahre bleiben sollte…. Ein weiteres wichtiges Datum ist der 1. März 1872: Bödefeld wird Postagentur und fortan dem Postamt Bestwig unterstellt, eine Regelung, die ebenfalls über 100 Jahre gelten sollte…. Von Maria Gierse übernahm 1926 Franz Gierse als letzter der Postfamilie das Steuerrad der Bödefelder Post, erlebte 1932 die Umwandlung der Postagentur in ein Zweigpostamt des Postamtes Bestwig, meisterte die schweren Jahre des 2. Weltkrieges und des Wiederbeginns danach, bis er im Jahre 1949 starb. Hubert Guntermann vom Postamt Bestwig übernahm damals die Verwaltung; die Diensträume blieben noch bis 1956 im Hause Gierse.[4]


Abb. 13: Die Ablösung der Pferdepost-Fahrten durch Kraftpost-Fahrzeuge erfolgte Mitte der 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts[5]


Im Handbuch und Katalog „Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953“ ist für den Zeitraum Dezember 1945 – Januar 1949 ein Ortsnotstempelabschlag nachgewiesen.

 

Abb. 14, 15: Briefvorderseite – Ortsnotstempel in violetter Farbe "Bödefeld über Bestwig (Sauerland)“ mit zusätzlichem Normstempel von „Bestwig (Sauerland) b 24.1.47 – 16“ – Verwendungszeit nach Arenz/Kahl/Richter belegt 12/45 bis 1/49 - Anzahl der gemeldeten Belege = 13 bis 25  -24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g 



Abb. 16, 17: Briefvorderseite mit Absender „Strümpfe C. Gierse“ – Ortsnotstempel in violetter Farbe "Bödefeld über Bestwig (Sauerland)“ mit zusätzlichem Normstempel von „Bestwig (Sauerland) b -7.8.48“ – Verwendungszeit nach Arenz/Kahl/Richter belegt 12/45 bis 1/49 - Anzahl der gemeldeten Belege = 13 bis 25 - 24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g 


Vehrte - Status: Poststelle I/Osnabrück

 

Vehrte liegt nordöstlich von Osnabrück und wurde am 1. Juli 1972 in die Gemeinde Belm eingegliedert.

Die Postdienststelle in der ehemals selbstständigen Gemeinde Vehrte befand sich bis zum Jahr 1961 im sogenannten „Haus Vornhecke“, heute Bahnhofstr. 18 in 49191 Belm.



Abb. 18: Abbildung des Hauses Vornhecke in Vehrte. Die Abbildung stammt von einer Mehrbild-Ansichtskarte aus dem Jahr 1902.

Abschließend zeige ich noch zwei Belege mit Ortsnotstempel von Vehrte.

Im Handbuch und Katalog „Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953“ sind für den Zeitraum Juli 1945 – März 1949 insgesamt 6 verschiedene Ortsnotstempelabschläge bzw. handschriftliche Entwertungen nachgewiesen.

Bei den von mir nachfolgend vorgestelltem Belegen ist zu beachten, dass eine Verwechslung der Abbildungen Typ e und Typ f (Seite 336) im vorgenannten Handbuch festgestellt wurde.

Der erste Brief wurde sicherlich, obwohl zeitlich interessant, nicht bedarfsmäßig verwendet und auch nicht postalisch befördert.



 

Abb. 19,20: Briefvorderseite – Ortsnotstempel in violetter Farbe "(23) Vehrte“ mit Stempelbreite von 46 mm und zusätzlichem Skelettstempel „21.6.48“ – Verwendungszeit als Typ f(e) nach Arenz/Kahl/Richter belegt 4/47 bis 3/49 - Anzahl der gemeldeten Belege = 13 bis 25 – 20 statt 24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g

 

Vermutlich erfolgte die Stempelung lediglich aus Gefälligkeit nach Vorlage, um den 21.6.1948 (letzte Möglichkeit der Frankierung ohne Posthörnchenaufdruck aus der 1. Briefkastenleerung zum RM-Tarif) zu dokumentieren.

Auch rückseitig ist keine Absenderangabe vorhanden, bei der Empfängeranschrift fehlt die PLZ. Zudem wurde mit 20 Pfennig der Brief als Fernbrief Inland mit 4 Pfennig unterfrankiert.

Ortsnotstempel und Skelettstempel halte ich für echt.

 

Beim zweiten von mir vorgestellten Beleg handelt es sich um einen R-Brief in die SBZ. 



Abb. 21,22: Vorder- und Rückseite (Ausschnitt) - Ortsnotstempel in violetter Farbe "(23) Vehrte“ mit Stempelbreite von 46 mm und zusätzlichem Skelettstempel „-3.2.48-10“ - Rückseitig AK-Stempel „Flöha (Sachs) a 13.2.48.- 8“ und Prüfsignum – Verwendungszeit als Typ f(e) nach Arenz/Kahl/Richter belegt 4/47 bis 3/49 - Anzahl der gemeldeten Belege = 13 bis 25 – 24 Pfennig Fernbrief Inland bis 20 g und 60 Pfennig Einschreiben

Es dürfte sich um einen Sammlerbrief handeln. 

Das Prüfsignum stammt von Herrn Horst Busch, der von 1977-1990 Prüfer in der DDR und von 1990-1994 Prüfer im BPP war.


Bewertung von Ortsnotstempeln

Eine realistische Bewertung von Ortsnotstempeln ist sicherlich nur eingeschränkt möglich.

Dies liegt nach meinen Erfahrungen

  • an der geringen Anzahl des Angebotes und der Intransparenz des Marktes
  • der, sicherlich allgemein auf dem philatelistischen Markt zu beachtenden, Unterscheidung zwischen gewerblichen und privaten Anbietern und 
  • an der Bestimmung als Ortsnotstempel durch Anbieter und Nachfrager

 

Für die von mir vorgestellten Exponate wurden die folgenden Preise erzielt:

 

Abb. 3, 4: Hude - Briefvorderseite (Briefstück) – 19,00 € - gewerblicher Anbieter

Abb. 5- 7: Hude – Brief – 21,10 € - gewerblicher Anbieter

Abb. 8- 10: Grünenbaum – Brief – 40,00 € - gewerblicher Anbieter

Abb. 11, 12:  Grünenbaum – Brief – 22,50 € - gewerblicher Anbieter

Abb. 14, 15: Bödefeld – Brief – 3,50 € - privater Anbieter

Abb. 16, 17: Bödefeld – Brief – 9,00 € - gewerblicher Anbieter

Abb. 19, 20: Vehrte – Brief – 8,00 € - gewerblicher Anbieter

Abb. 21,22: Vehrte – R-Brief – 10,20 € - gewerblicher Anbieter

 

 

Abschließende Bemerkungen – Danksagung

 

Auch wenn das Internet viele Möglichkeiten der Informationsbeschaffung bietet, ist es aus meiner Sicht grundsätzlich sinnvoll, bei der Beschäftigung mit philatelistischen Themen sonstige Quellen zu nutzen.

Darunter verstehe ich die Kommunikation mit Wissenden, idealerweise Zeitzeugen, per Brief, persönlichem Gespräch oder einem telefonischen Kontakt, so lange dies noch möglich ist.

Der komplette Inhalt meines Beitrages wäre ansonsten so nicht entstanden.

 

Für die Unterstützung bei Erstellung meines Beitrages möchte ich mich bei den folgenden Personen recht herzlich bedanken:

  • Frau Dählmann (Gemeinde Hude – Gemeinde- und Meldeangelegenheiten)
  • Herr Oetjen (Betriebsleiter des Postamtes Hude von 1963 bis 1988)
  • Herr Horalek, Herr Spilker (Arge Deutsche Notmaßnahmen ab 1945 e.V.)
  • Herr Dr. Günter Schulte (Stadtarchiv der Stadt Schmallenberg)
  • Herr Kociolek (Schieferbergbau-Museum in Schmallenberg-Holthausen)
  • Herr Mundt (Gemeinde Belm)
  • Herr Witscher (Stadt Halver – Fachbereich Zentrale Dienste)
  • Herr Kieberger (Grünenbaum)





[1] Arenz, Kahl, Richter: Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953, Eigenverlag Hans-J. Richter, Braunschweig 2001, Seite23

[2] Arenz, Kahl, Richter: Ortsnotstempel Deutscher Postanstalten 1945 – 1953


[3] Lütkes, Paul: „Aus der Bödefelder Postgeschichte“, Seite 136 in: „Philatelie und Postgeschichte im Oberen Sauerland“, Verlag: Schmallenberg: Schieferbergbau-Museum, 1978

[4] Lütkes, Paul, a.a.O. Seiten 136, 137


[5] Lütkes, Paul, a.a.O. Seite 137






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