Gültigkeit, Erwerb und Verwendung von Postwertzeichen in der Bizone und West-Berlin im Zusammenhang mit den Währungsreformen 1948
Es war, auch aus postalischer Sicht, eine schwierige Zeit rund um die Währungsreformen 1948 in Deutschland.
Nicht immer war die Frankaturungültigkeit der Gemeinschaftsausgaben und der mit Posthörnchen überdruckten Marken der I. und II. Kontrollratsausgaben so eindeutig, wie im folgenden Beispiel:
Abb. 1: Zu spät - Ungültige Zehnfachfrankatur – Sonderstempel „Rain (Lech) 1000 Jahre altes Städtchen 26.6.48 – 14“ – Beanstandet mit dem 1,5-fachen von 24 Pfennig für Fernbrief Inland bis 20 g
Wie sollte die Bevölkerung allzeit den Überblick über die Frankaturgültigkeit der Marken haben, wenn selbst die Postverwaltung oder ihre Bediensteten gelegentlich damit Schwierigkeiten hatten?
Im Rundbrief 49 hatte ich aus einem Artikel des „Spiegel“ vom 28. August 1948 zitiert, in dem über das Ende der postgehörnten Marken zum 12.9.1948 berichtet wurde.[1]
Die Möglichkeiten der Verwendung der Gemeinschaftsausgaben, sei es letztmalig zum alten RM-Tarif oder übergangsweise zu 1/10 Nominale als Zehnfachfrankatur, ergaben schon für sich eine Vielfalt an Frankatur-Kombinationen.
Dies gestaltete sich in der Bizone im Zeitraum vom 21.6.1948 bis 19.9.1948 mit Verwendung von Gemeinschaftsausgaben, Provisorien und ab 1.9.1948 Marken der Bautenserie noch irgendwie überschaubar.
Der nachfolgend vorgestellte Brief lief, freigemacht mit portorichtiger Zehnfachfrankatur aus der ersten Briefkastenleerung des 23.6.1948, als Fernbrief Inland von Düsseldorf nach Duisburg.
Porto-Soll = 24 Pfennig
Porto-Ist = 180 R-Pfennig zu 1/10 zzgl. 6 neuer Pfennig (37 I)
[1] Guntram Pagel: „Gedanken zum Bewertungsansatz von überfrankierten Belegen an Beispielen der Währungsreform 1948 in der Bizone“, RB 49 der Arbeitsgemeinschaft Alliierter Kontrollrat, Seite 54
Abb. 2: Vorderseite des Briefes – Aufgabestempel „(22 a) Düsseldorf 1 bb 23.6.48.-7“
Der rote Nachgebühr-Kastenstempel wurde sicherlich irrtümlich aufgebracht und mit blauem Stift wieder gestrichen. Vermutlich ist vom Empfänger eine Nachgebühr nicht erhoben worden.
Eine andere Situation ergab sich in West-Berlin.
Zehnfachfrankaturen waren in der Zeit vom 24.6.1948 bis einschließlich 31.7.1948 möglich.
Die folgende Postkarte lief als Zehnfachfrankatur im Juli 1948 von Berlin SW 6 (amerikanischer Sektor) nach Neufra/Württemberg in die französische Zone und wurde mit der 1,5-fachen Postgebühr zu Unrecht beanstandet.
Abb. 3: Postkartenvorderseite mit Rollstempel „(1) Berlin b 20.7.48.“ – 12 Pfennig Postkarte Inland
Zehnfachfrankaturen mit RM-Marken der französischen Zone waren im französischen Besetzungsgebiet grundsätzlich nicht möglich, obwohl in Einzelfällen unbeanstandet postalische Beförderungen durchgeführt wurden.
Ursprünglich vorgesehen, wurde die Möglichkeit einer Zehnfachfrankatur in der FZ kurz vor Beginn der Währungsreform ausgeschlossen.
In West-Berlin ergab sich, neben der Möglichkeit von Zehnfachfrankaturen mit Gemeinschaftsausgaben der amerikanischen, britischen und sowjetischen Besatzungszonen
bis zum 31.7.1948, eine besondere Situation durch die Gültigkeit von Provisorien der Bizone und SBZ-Marken mit Handstempel- und später dann Maschinenstempelaufdruck.
Ab 3.9.1948 konnten dann auch die Marken der II. Kontrollratsserie mit schwarzem Berlin-Aufdruck zur Frankatur verwendet werden.
Die Währungsreform Ost umfasste Gesamt-Berlin, auch als Groß-Berlin definiert.
Somit konnten Postwertzeichen im gesamten Berlin auch mit Ostmark erworben werden.
Ein besonders Problem ergab sich hierbei aus dem Wechselkurs der 2 neuen Währungen.
Die Schwäche der Ostmark zur Westmark führte zu Spekulationen, auch mit in West-Berlin erworbenen Provisorien.
Auszug aus einer Informationskopie der Hauptverwaltung für Post- und Fernmeldewesen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Frankfurt an das Zweizonen-Kontrollamt in Frankfurt:
„… Gemäß den Berichten die wir von den OPDn Braunschweig und Frankfurt/Main erhielten, werden überdruckte Postwertzeichen, die in den Westsektoren Berlins verwendet wurden, durch Personen, die die Demarkationslinien überschreiten, in das Bizonengebiet verbracht und dort verkauft. Die in Frage kommenden Briefmarken werden von Einzelpersonen und Briefmarkenhändlern im Bizonengebiet für die Hälfte ihres gültigen Wertes angeboten. Der fragliche Personenkreis hat die überdruckten Briefmarken bei den Postämtern in den Westsektoren Berlins für ´Ostmark` gekauft und ist in der Lage, wegen des Unterschieds zwischen ´Ostmark` und ´D-Mark` diese Briefmarken zu einem herabgesetzten Preis anzubieten. …“[2]
Der Inhalt des nachfolgend gezeigten Faltbriefes eines Markenhändlers aus Berlin-Wilmersdorf (Britischer Sektor) ist in diesem Zusammenhang zu sehen.
Der Händler verweigerte die Annahme postgültiger westzonaler Marken.
Des Weiteren bietet er seinen Kunden z.B. 16 Werte der SBZ für 5,00 DM an. Hierbei dürfte es sich um einen postfrischen Satz mit Handstempel- bzw. Maschinenaufdruck (ohne die 60 Pfennig-Höchstwerte) handeln, der in Summe eine Nominale von 4,82 hat.
Auf den ersten Blick erscheint die Gewinnmarge von 18 Pfennig als gering.
Berücksichtigt man allerdings die Möglichkeit des Erwerbes des Satzes in Mark-Ost, sieht die Kalkulation schon etwas anders aus.
[2] Wolf J. Pelikan: „Markenland wider Willen“, Seite 79, Phil Creativ Verlag, Schwalmtal 1989
Abb. 4, 5: Vorderseite und Text des Faltbriefes als Vorläufer-Beleg mit einer 37 I W OR – Aufgabestempel „(1) Berlin-Wilmersdorf 1 m -.7.48.-16“ – 6 Pfennig Drucksache Inland bis 20 g
Ursprünglich war, auch in West-Berlin, eine Gültigkeit der Provisorien bis zum 12.9.1948 vorgesehen.
Diese Frist verlängerte sich um 1 Woche bis zum 19.9.1948.
Die Entscheidung erfolgte kurzfristig, nach den Feststellungen von Wolf J. Pelikan wurde sie von der amerikanischen Seite erst nach dem 12.9.1948 bekanntgegeben.
„… Die Posthörnchen-Aufdruck-Marken wurden – nicht wie ursprünglich genannt – am 12. September, sondern erst am 19. September ungültig. Ein nicht datiertes Schreiben des Dreimächte-Komitees für Post- und Fernmeldewesen belegt dies: … Es wird empfohlen eine Anweisung mit folgendem Termin an den Oberbürgermeister von Berlin zu senden:
´Die Periode der Gültigkeit von Postwertzeichen, die mit dem Posthorn-Symbol überdruckt sind, endet am 19. September 1948.`
… Die schriftliche amerikanische Anweisung an den Oberbürgermeister ist vom 15. September 1948 datiert …“[3]
[3] Wolf J. Pelikan: „Markenland wider Willen“, a.a.O., Seite 90
Abb. 6: Da gab es (noch Nichts) zu beanstanden - Vorderseite eines im Ortsverkehr von Berlin mit 16 Pfennig portorichtigen Briefes bis 20 g – Aufgabestempel „Berlin-Tegel 2 b 12.9.48-1-„ und handschriftlich geänderter Zustellanschrift vom 13.9.
Es wurden Frankaturen beanstandet, die, so zumindest meine Vermutung, im Zusammenhang mit der zeitlichen Umsetzung der Verlängerung der Gültigkeit bis zum 19.9.1948 zu sehen sind.
Nachfolgend stelle ich zwei beanstandete Belege mit Berlin-Aufgabestempel vom 13.9.1948 vor.
Der erste Brief ist mit 2 Pfennig überfrankiert, zusätzlich wurde eine ungültige 943 der Gemeinschaftsausgabe verklebt.
Abb. 7: Vorderseite des Briefes, beanstandet mit der 1,5-fachen Gebühr für einen Fernbrief Inland bis 20 g – Rollstempel „(1) Berlin-Charlottenburg 2 r 13.9.48.-21“
Der zweite Brief ist portorichtig im Ortstarif von Berlin frankiert.
Abb. 8: Beanstandet mit 1-facher Gebühr – Falt-Ortsbrief bis 20 g, gelaufen innerhalb von Berlin-Charlottenburg 9 an das Finanzamt Charlottenburg-West – Gestempelt „Berlin-Charlottenburg 9 a 13.9.48.-16“ – 16 Pfennig für Brief bis 20 g im Ortsverkehr